Kapitel 12 - "Tacco Dienstag" (Unbearbeitet)

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Kapitel 12 – „Tacco Dienstag“


   Es ist der nächste Morgen und ich bin zu spät für das Frühstück. Als ich die Kantine betrete herrscht nicht mehr viel Betrieb, es wird aber auch noch nicht abgeräumt. Obwohl mich niemand hetzt, nähme ich mir hastig ein Tablett und gleite im Schnelldurchlauf durch die Buffet-Theke. Die leckersten Sachen sind schon alle weg, aber das habe ich erwartet, was mich aber nicht davon abhält enttäuscht zu sein. Immerhin ist häute Dienstag und Dienstags gibt es Morgens immer Taccos.

Ich schaue mich im geräumigen Saal um, um zu entscheiden wo ich sitzen möchte, als mir Martha von der hinteren Tischreihe her zuwinkt. Ich habe keinen festen Stammplatz, daher ist mir das ganz recht. Ich begebe mich zügig durch den gut gelüfteten Raum in ihre Richtung. Die Stimmung ist gesellig und die frische Luft verleiht dem Duft von Gebackenem ein besonderes Aroma.

Martha begrüßt mich als erstes:

Martha: „Guten Morgen Schlafmütze! Komm setz dich zu uns.“

Sie ist in gut gelaunter Gesellschaft:

Zu ihrer Rechten sitzt Ellyson, ihr gegenüber Raul. Ein Stück weiter, aber noch am selben Tisch, sitzen sich Debby und Nina gegenüber und scheinen ein separates Gespräch zu führen. Während Debby mich in ihrem hitzigen Redefluss gar nicht zu bemerken scheint, ist Nina sichtlich erfreut mich zu sehen, auch wenn sie versucht es nicht zu zeigen.

Nicolas: „Guten Morgen, zusammen.“

Meine Antwort ist kurz, aber freundlich. Allen die Hand zu geben erscheint mir unangebracht, da manche zu weit weg sitzen. Ich nehme neben Raul Platz.

Elly: „Du kommst zu spät, die Taccos sind schon alle weg!“

Nicolas: „Ja, das überrascht mich nicht. Dann muss ich mich mit dem zufrieden geben, was noch da ist.“


Ich blicke auf mein Tablett mit den frischen, duftenden, belegten Brötchen. [Kein Grund zu trauern.]

Ich kann mich nicht erinnern, jemals besonders hohe Ansprüche gehabt zu haben, weder bei Essen noch bei Kleidung, noch sonstigem materiellen Gut. Anders ist es in der Wahl meiner Gesellschaft.

Nicolas: „Habe ich euch unterbrochen? Worüber habt ihr gesprochen?“

Elly: „Na was wohl? Über unseren gestrigen Ausflug natürlich!“

Martha: „Oh, es war wie ein Stückchen Paradies ...“


Debby, die jetzt näher gerückt ist, ist ganz außer sich.

Debby: „Ja, vor allem als dann die Sonne aufging, und der Nebel aufzog!“

Martha: „Es war fast so, als ob der Nebel in den Farben des Sonnenaufgangs leuchten würde.“

Debby: „Ja, als ob der ganze See irgendwie … „Magisch“ währe!“

Elly blickt mich mit leicht enttäuschter Mine an.

Elly: „Scheint, als wäre uns da was entgangen.“

[Richtig, wir waren da schon im Wald unterwegs]

Nickolas: „Och, ich finde wir sind auch auf unsere Kosten gekommen.“

Elly: „Stimmt.“

Nicolas: „Hast du es ihnen schon erzählt?“

Elly: „Klar!“


Sie sagt es mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte ich etwas völlig absurdes gefragt.

Nina, die sich nicht am Gespräch beteiligt, fummelt neben ihr in ihrer Tasche. Versucht sie beschäftigt auszusehen, um nicht wegen ihrer Schweigsamkeit aufzufallen? [Die meisten würden dann einfach ihr Pad rausholen …]

Martha: „Das ihr ein Dorf gefunden habt? Sammy hat es zuerst allen erzählt. Der war Stolz wie Oskar!“

Nicolas: „Ich glaube der wusste das es dort war. Er ging die ganze Zeit voraus und schien genau zu wissen, wo es lang geht.“

Elly: „Könnte sein …“

Debby: „Boh, das hätte ich auch gern gesehen!“


Diese lebhafte Gestik von Debby, die hatte ich irgendwo anders schon mal gesehen. Natürlich bei ihr selbst, zahllose Male zuvor, aber … noch irgendwo anders. [Moment, war das nicht … ?]

Nicolas: „Ich fand es auch genial das es da auch Frösche und so was gibt, man musste echt aufpassen, das man nicht auf ein- ...“

Debby: „Boh, hör mir auf mit Fröschen! Die sind voll eklig …“


[HA! Sie ist es! …] Ich hätte beinahe mit dem Finger auf sie gezeigt, wie ein klischeehafter Anwalt auf einen schuldigen Angeklagten. [Dann waren die anderen beiden …] Ich schaue mir die entspannte Martha und den schweigsamen Raul an … [Könnte hinhauen …]

Martha: „Du, mit deiner Frosch-Phobie ...“

Debby: „Ernsthaft, die sind Eklig! Ich kriege bestimmt Herpes ...“

Elly: „Ja, ist ok, wir haben es jetzt verstanden!“


Ok, jetzt ist es offensichtlich.

War Raul deswegen so schweigsam? War er beleidigt, weil er auf seinem ungeplanten Date ein Kind dabei hatte? Wenn ich mir sein leicht schmollendes Gesicht so anschaue, ist er das wohl immer noch … [… Oder schon wieder …]

Nina hat irgendwas aus der Tasche auf den Tisch gepackt und blickt nun angespannt in die Runde. Es sieht aus, als ob sie was sagen wollte, sich aber nicht traut. Ich blicke ihr direkt in die Augen, damit sie weiß, das ich sie meine:

Nicolas: „Und was hat dir am besten gefallen?“

Nina: „Ha? … Ahm, ich weiß nicht …“


Ihre Augen fangen an unsicher umherzuwandern. [Habe ich mich geirrt?]

Nina: „… der Nebel, glaube ich …“

[Das glaube ich weniger, es ist eher das erste was dir eingefallen ist.] Ich hab mich wohl geirrt, ihre Körpersprache ist so schwierig zu deuten.

Nicolas: „Oh, tut mir leid, es sah aus als ob du auch etwas sagen wolltest.“


Jetzt wirkt sie noch verwirrter …

Nina: „Ich, ahm …“

Sie nimmt das Päckchen, das sie neben sich auf den Tisch gelegt hatte und schiebt es über den Tisch zu mir rüber. Dann schaut sie verlegen zur Seite.

Nina: „Weil du keins hattest ...“

Das Päckchen ist ein Tacco, sauber eingewickelt in Klarsichtfolie. Das war ihre Sorge das ganze Gespräch über, das ich keinen Tacco abbekomme? Und deswegen gibt sie mir jetzt ihres? [Nein, moment …] War das vielleicht von vorneherein für mich bestimmt? Hätte sie es mir wieder aufs Zimmer gebracht, wenn ich nicht zum Früstück gekommen wäre? Mit so viel Fürsorge könnte ich mir bald unselbständig vorkommen.

Das glänzend verpackte Päckchen liegt in der Mitte des Tisches, auffällig, wie eine Pyramide mitten in der Wüste. Irgendwie muss ich dabei an ein gewisses Holzpferd vor den Toren einer gewissen Stadt denken.

Es nicht anzunehmen, ist keine Option.

Nicolas: „Ähm, danke …“


Das Ganze ist urplötzlich zu einer unangenehmen Situation geworden, das könnte von den Anderen leicht falsch verstanden werden. Oder war das vielleicht die Absicht dahinter? Nein, so manipulativ ist sie nicht. [Oder doch?] … Sie ist wirklich schwer zu durchschauen.

Debby: „Oooch, ist das süß!“

[Halt die Klappe! Mach es nicht noch schlimmer!]

Ich lege das knisternde Päckchen auf mein Tablett, während die Anderen verstohlen schmunzeln.

[Wie alt seit ihr, fünfzehn?]

Martha, widmet ihre Aufmerksamkeit wieder der Gruppe:

Martha: „Also, wann geht es wieder los? Ich will mehr von dieser Welt sehen!“

Sie müsste die Antwort kennen, immerhin bekommen wir alle die gleichen Mails und Memos. Offenbar will sie einfach nur taktvoll das Thema wechseln, wofür ich ihr sehr dankbar bin.

Raul: „Es geht übermorgen früh los, um zehn Uhr!“

Raul sagt es, als ob er die ganze Zeit nur darauf gewartet hätte, das jemand diese Frage stellt. Ob er auch so reagiert hätte wenn jemand anders gefragt hätte? Wie kann ein erwachsener Mann sich so Kindisch verhalten? [Das Gleiche hatte ich mich, nach meiner letzten Freundin, auch über mich selbst gefragt.]

Debby: „Oooch, wieso erst übermorgen? Ich will nicht so lange warten!“

Elly: „Du gehörtest bestimmt zu den Kindern die nicht bis Heiligabend warten konnten um ihre Geschenke zu öffnen, oder?“

[Schöner Vergleich …] Debby streckt protestierend ihre Zunge heraus.

Nicolas: „Wir werden nach dem Eintauchen unsere Avatare erstellen und dann sofort in die Spielwelt wechseln. Wisst ihr schon, wie euer neues „Ich“ aussehen soll?“

Elly: „Gefährlich!“


Wir lachen gelassen über die abrupte Antwort, worüber Ellyson sichtlich verstört ist:

Elly: „Was lacht ihr? Das ist ein Fantasy-Rollenspiel, wir werden da Monster Töten und so was!“

In dem Punkt hat sie wohl recht, aber trotzdem …

Elly: „Oder etwa nicht?!“

Nicolas: „Jaa, das stimmt schon … Aber ich denke nicht, das es für Monster einen Unterschied macht, ob sie von einer zwei Meter großen Amazone, oder von einer zierlichen Magierin gekillt werden. Aber wenn du dich mit anderen Spielern anlegen möchtest, dann könnte ein einschüchterndes Aussehen von Vorteil sein.“

Elly: „Sag ich doch!“


Sie kann ich mir gut als blutrünstige Amazone vorstellen. [Das würde zu ihr passen!] Der Gedanke lässt mich erneut schmunzeln.

Debby: „Ich will aber überhaupt keine Monster töten …“

Martha: „Ja, genau. Was ist mit denen, die überhaupt nichts töten wollen?!“


[Hmm …] Soweit habe ich noch gar nicht gedacht …

Nicolas: „ … Was würdet ihr den gerne machen?“

Debby: „Was ich gerne …? Ich weiß auch nicht, irgendwas Anderes eben!“


Das ist auch nicht hilfreich. Die Frage ist aber nicht schlecht …

Nicolas: „Naja, es gibt auf jeden Fall eine Reihe von Berufen, mit denen man sich die Zeit vertreiben kann. Da gibt es einiges an Auswahl: vom Angeln, übers Kochen und Schneidern, bis hin zum Waffenschmieden, oder Alchemie. Darüber hinaus? …“

Mir fällt spontan nichts mehr ein.

Nicolas: „… Das werden wir wohl erst wissen wenn wir dort sind.“


Ich lasse meinen Blick durch die Gesichter in der gemütlichen Runde schweifen und versuche mir vorzustellen, welche Rolle ihnen in Einer Fantasy-Welt stehen würde, aber ...



[… Zu viele Möglichkeiten …]

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