Ich
sinke mit zufriedener Vorfreude in die Tiefen eines langen Traums. Um
mich herum wabert das geräuschlose, unförmige „Nichts“. Ich
beobachte wie es zugleich nach mir zu greifen und von mir weg zu
weichen scheint. So als wollte es mich daran erinnern, dass es immer
präsent ist. Egal, wie schön die virtuelle Illusion ist, dahinter
ist immer das „Nichts“!
[Der
Limbus …]
Aber
das wird meine Laune heute nicht trüben, immerhin ist es nicht so,
das ich mir der Illusion nicht bewusst wäre. Wie Tamirat sagen
würde: „Ich komme her um zu träumen.“ Es wäre dumm zu denken,
das irgend etwas hier drin echt ist, abgesehen von uns Spielern.
Ebenso dumm wäre es sich an eine Illusion zu klammern.
Unmittelbar
nachdem der formlose Ozean, in dem ich treibe, zu einem einheitlichen
Grau verblasst, formt sich meine körperliche Gestalt. Kurz darauf
erscheinen die Konturen eines mittelgroßen Raums, der sich zunehmend
zu füllen beginnt. Zunächst größere Möbelstücke, dann zunehmend
kleinere Details. Wehrendessen fliest auch immer mehr Farbe mit
hinein. Erst grobe Flächen, dann Muster und Farbabstufungen. Zum
Schluss flackern die Lichter des Kronleuchters, und mehrerer
Laternen, die im Zimmer verteilt sind auf. Aus dem Raum führt nur
eine Tür. Keine Fenster ...
Ich
frage mich, was davon auf tatsächlichen Informationen des Spiels
basiert und was von meinem Traum-Paradigma interpretiert wird.
Als
alles fertig geladen hat, finde ich mich in einem Raum wieder, der
nach Garderobe aussieht. Ein Schminktisch mit Spiegel, mit Kleidern
gefüllte Regale, Ein Büchertisch und eine Vielzahl von Gimiks wie
herumliegende Nadelkissen und Kleiderständer. [Die Schmiede für
meinen Spiel-Charakter! Also, dann wollen wir mal sehen …]
An
den Wänden hängen vergilbte Plakate, mit Karikaturen und
Anweisungen was zu tun ist. Alte Pergamente, die moderne
Spielmechaniken erklären. [Amüsant!]
Als
erstes der Büchertisch. Hier soll ich mich für eine der Zahlreichen
Klassen entscheiden, die das Spiel mir anbietet. Diese Wahl ist
endgültig und kann nicht später geändert werden. Sollte ich mal
später im Spiel feststellen, das mir die Klasse, die ich gewählt
habe nicht liegt, müsste ich einen neuen Charakter erstellen und von
vorne beginnen.
Laut
Anleitung soll ich das Buch, das meine Klasse beschreibt aufheben und
auf das kleine Podest daneben legen. Meine Wahl steht bereits fest.
Ich nehme das Buch des Beschwörers, das einen hell-braunen Einband,
mit verschiedenen darauf eingravierten Kreaturen hat und lege es auf
den dafür vorgesehenen Platz. Eine Kerze, die ich bislang nicht
beachtet hatte, fackelt daneben mit bräunlicher Flamme auf. Fast
zeitgleich ändert sich die komplette Garderobe, die im Zimmer
verteilt ist. Man will wohl, dass ich mich der Klasse entsprechend
kleide.
Als
nächstes der Schminktisch. Im Spiegel sehe ich das Gesicht eines
glatzköpfigen Fremden, der etwas größer ist als ich. [In
Unterhosen …] Ein recht verstörender Anblick. Vor dem Spiegel sind
zahlreiche Gegenstände aufgereiht, die mir ermöglichen mein
Aussehen anzupassen. Ich muss sie nur berühren und es erscheinen
zahlreiche Schieberegler, die ermöglichen alle Gesichts und
Körpermerkmale nach Wunsch anzupassen. Eine Perücke für die
Frisuren, ein Maßband für die Körperbeschaffenheit, eine Maske für
Gesichtskonturen, Schminke, ein primitives Tätowier-Gerät, sogar
ein Messer um dem Charakter Narben zu verpassen. Für jeden was
dabei.
[Was
würde nicht jede Frau der Welt dafür geben, so was im realen Leben
zu haben.]
Ich
gehe durch die verschiedenen Optionen.
Als
erstes passe ich die Körpergröße meiner eigenen an, anderenfalls
würde es mich im Spiel nur irritieren, größer zu sein als ich es
gewohnt bin. [Jetzt die Frisur … ] Ich gehe durch die verschiedene
Haarschnitte und entscheide mich für eine schulterlange,
unspektakuläre Form. [Haarfarbe? … Schwarz.] Ich erwäge kurz
einen längeren Haarschnitt zu wählen, finde aber keine Frisur, die
nicht mädchenhaft wirkt.
[Gesichtsbehaarung
… Hmmm …] Im echten leben steht mir ein Bart einfach nicht, aber
hier könnte ich es versuchen. Nach langem ausprobieren verschiedener
Kombinationen bleibe ich bei einem langen Schnauzer und einem kurzen
Ziegen-Bärtchen stehen.
Beim
Gesicht angekommen, passe ich erst die Augen an und dann den Rest des
Gesichtes, so dass ich zum Schluss ein recht mongolisches Aussehen
habe. Ich bin von meiner Wahl selbst etwas überrascht, aber mir
gefällt es, vor Allem wenn ich mir die dazu passende Auswahl der
Kleidern ansehe.
Die
Rüstungen des Beschwörers bestehen vorwiegend aus Pelz, Leder und
Gurten. Das wird gut zu meinem neuen Gesicht passen.
Durch
die anderen Optionen schaue ich zwar kurz durch, aber es ist nichts
dabei, was mir zusagt.
In
einer Ecke des Raumes steht ein langer Spiegel, in dem ich mich in
voller Größe betrachten kann. Neben ihm an der Wand hängen: eine
Schulterplatte, ein einfaches Hemd und ein Teuer aussehender Gürtel.
Die Anleitung an der Wand erklärt, dass ich damit zwischen den
Outfits wechseln kann. Offenbar steht es mir zu nicht nur meine
Rüstung, sondern auch sowohl meine Alltagskleidung, als auch ein
formelles Outfit zu wählen.
Die
Alltagskleidung ist schnell ausgesucht. Ein weißes Hemd, braune
Hose, Gürtel, Schuhe … nichts aufwendiges.
Bei
der Formellen Kleidung gebe ich mir etwas mehr mühe. Ich wähle für
das Hemd einen gelben, fast goldenen Farbton. Oben drüber eine rote
Weste mit reicher goldener Verzierung. Dazu eine schwarze Hose, mit
rot-goldenen Mustern an den Seiten, die von Vorm und Farbe her zur
Weste passen. Hohe, glänzende, dunkelbraune Stiefel und einen Gürtel
in der selben Farbe, mit prächtiger goldener Gürtelschnalle.
Zuletzt ein leicht abstrakt wirkendes Amulett um den Hals und ein
paar Ringe die mit bunten Steinen versehen sind … Formell, aber
nicht Extravagant.
Als
letztes noch das Outfit, das ich vermutlich am öftesten tragen
werde: Die Rüstung!
Nach
einigem Anprobieren entscheide ich mich für einen Ledernen Stil:
Schwere Stiefel, Arm- und Bein Schienen aus geflochtenen Lederriemen,
und eine ärmellose Lederrüstung mit pelzigem Kragen. Darunter
gewöhnliche Kleidung. [Hmm … etwas fade …] Ich nutze nochmal die
Möglichkeiten zur Anpassung und füge graue Fellfragmente hinzu, die
die Schultern bedecken sollen und einen pelzigen Lendenschurz, der
nach vorne offen ist und nach hinten hin länger wird. [Perfekt!]
Ich
betrachte mich nochmal im Spiegel, beschließe dass ich fertig bin
und wende mich zur Tür, wo mich der abschließende Teil erwartet: An
der Tür hängt ein Bleistift an einem Faden und ein Zettel mit der
Aufschrift {Gib deinen Namen ein}. Es gibt die Möglichkeit einen
Vor- Nach- und Spitznahmen einzugeben. Wir hatten heute morgen
vereinbart unsere echten Namen zu verwenden. Es weiß eh jeder wer
wir sind und auf diese Weise würden wir unnötige Verwirrung
vermeiden. Aber welchen Spitznahmen sollte ich nehmen? Ich werfe
nochmal einen Blick in den Spiegel, und angesichts des mongolisch
wirkenden Aussehens fällt mir nichts besseres ein als „Kahn“ …
[Nicolas
Nakamura „Kahn“ …] Die anderen werden mich auslachen, aber was
soll's …
Ich
trage meinen Namen ein und die Tür wird von der anderen Seite
entriegelt. [So, mal sehen was mich erwartet …]
Da
der Raum eben wie ein Hinterzimmer aussah, habe ich erwartet in einen
weiteren Raum zu kommen, aber ich bin überraschenderweise im Freien
gelandet. Es ist Nacht und ich stehe im Hof mehrerer Häuser, die
mehr oder weniger kreisförmig angeordnet sind und sich eine
Umzäunung teilen. Offenbar gehören die schlichten Holzbauten alle
zur selben Anlage. Das Areal ist durch Fackeln gut beleuchtet. Ich
erkenne Schießstände, Ein Gehege mit Hunden, Trainingspuppen,
Waffenständer... [Es ist eine Trainingsanlage!] Auf dem Platz
verteilt stehen auch mehrere wichtig aussehende Leute in der Gegend
herum, alles recht rau wirkende Gesellen.
Plötzlich
erschallt in meinem Kopf das Geräusch vieler kleiner Glöckchen und
eine zärtliche, weibliche Stimme beginnt zu erklären:
„Die
Erwählten des Schicksals werden auf dem Pfad ihres Lebens geleitet.
Folge dem Pfad des Schicksals!“
Als
ich daraufhin nach Unten schaue, stelle ich fest, das der Boden zu
meinen Füssen glitzert. Es führt ein Pfad von mir, quer über den
Platz, zu einem wild aussehenden Kerl der sich am Hunde-Gehege an den
Zaun lehnt. [Ah, ich verstehe …] Das ist das Quest-Leitsystem, es
führt mich zum Zielort meines derzeitigen Auftrags. Es dient dazu
das die Spieler sich nicht ständig verlaufen, sondern immer wissen,
wo es lang geht. Die meisten Spiele bieten so etwas an. Wenn ich
wollte, könnte ich es bestimmt abstellen, aber mit den Einstellungen
möchte ich mich später befassen. [Na dann …]
Ich
schlendere leicht angespannt, aber ohne Eile über den kleinen Platz
und schaue mich dabei ein wenig um. [Ich bin in der Spielwelt!
Diesmal so richtig!] Eine Welle der Begeisterung durchströmt meinen
Körper. Ich fühle mich als wäre ich nach einer langen
Warteschlange endlich durch die Tore eines angesagten
Vergnügungsparks gegangen. [Mal sehen was für Attraktionen es zu
entdecken gibt.]
Der
Mann, zu dem mich der „Pfad des Schicksals“ geführt hat, ist ein
großer, stämmiger, tätowierter Kerl mit blondem, zu Zöpfen
geflochtenen Haar. Er trägt einen schweren, grauen Pelz über der
rechten Schulter. Seine ganze Erscheinung wirkt ein wenig
Barbarenhaft. Ich visiere ihn noch beim gehen, mit der bereits
vertraut wirkenden Geste an:
{Hrotgar
Stahlklaue}
{Ausbilder
für Beschwörer}
[Er
hat sogar den Namen eines Barbaren.] Meine erste Begegnung mit einem
NPC, mal sehen wie realistisch die wirklich sind...
Nicolas:
„Hallo!“
Hrotgar:
„Willkommen Schüler! Heute ist der Tag deiner Prüfung. Es wird
Zeit, das du zeigst, was du gelernt hast.“
Der
erste Tag in der Spielwelt und es ist schon meine Prüfung. Aber das
ist nicht überraschend, viele Spiele fangen so an. Wäre ja blöd,
die zehn Jahre Ausbildung mit durchspielen zu müssen.
Nicolas:
„Alles klar, was soll ich tun?“
Die
Stimme des Hunnen ist Rau und autoritär:
Hrotgar:
„Heute unterwirfst du deinen ersten Untergebenen. Aber zuvor will
ich das du mir zeigst, dass du dich auch ohne Hilfe verteidigen
kannst.“
[Oh
backe …]
Hrotgar:
„Ich will, dass du mir deine Angriffe an der Trainingspuppe dort
vorführst.“
Er
deutet auf eine Reihe aufgerichteter Strohpuppen, einige Meter
weiter. [Puh, Glück gehabt] Ich habe schon befürchtet, das ich
jetzt gegen ihn kämpfen müsste.
Hrotgar:
„Hier, das wirst du brauchen!“
Er
greift hinter den Holzzaun, an den er sich anlehnt, holt einen
verzierten Holzstab heraus und streckt ihn mir entgegen. Ich nehme
ihn dankend an. [Ich habe mich gerade bei einem Computerprogramm
bedankt …] Im selben Moment erscheint eine Notiz vor meinen Augen:
{Neue
Fähigkeit erhalten: „Stab-Kampf“}
Der
stabil wirkende Stab liegt gut in der Hand, hat entlang des Schafts
spiralförmig irgendwelche Symbole eingraviert und ist an der Spitze
zu einer Art eiförmiger Sonne mit spitzen Zacken geformt.
Nicolas:
„Bekomme ich keine Anleitung?“
Mein
Leermeister schaut mich ein paar Sekunden lang mit stumpfem Blick an,
bevor er antwortet. Offenbar die Zeit, die der Computer braucht um
meine Frage zu analysieren und eine Antwort zu formulieren.
Hrotgar:
„Schlag einfach auf die Puppe ein.“
[Simpler
als erwartet …]
Ich
habe die Funktionsweise meiner Klasse schon vorher ausgiebig
studiert. Der Schwerpunkt des Beschwörers liegt darin sich
verschiedene Kreaturen Untertan zu machen und wenn benötigt, zur
Unterstützung herbei zu rufen. Meine Kampfstärke hängt also
hauptsächlich von meinem Gefolge ab. Wenn diese allerdings besiegt
sind, dann ist mein Stab für den Moment das einzige, was ich zu
meinem Schutz habe. Sich damit vertraut zu machen, ist also keine
schlechte Idee.
Während
ich mich für meinen erbitterte Kampf gegen die Strohpuppe in
Stellung bringe, lasse ich mein Erstes Gespräch mit dem
Einheimischen auf mich wirken. Die deutliche Verzögerung bei
komplexeren Interaktionen ist nicht zu übersehen, daher ist es
schwer sie als wirklich „realistisch“ zu bezeichnen. Allerdings
ist es auch beeindruckend, dass sie überhaupt zu so viel Interaktion
fähig sind. Dadurch sind sie eindeutig flexibler als das was ich von
Charakteren in spielen bisher kenne.
Ich
neige meinen Körper leicht nach vorne, stoße mich mit meinem
rechten Fuß ab und vollführe einen sauberen Schwung mit meiner
Waffe, die im hohen Bogen mit einem dumpfen Knall im Nacken der Puppe
aufschlägt.
[Was
zum? … War ich das gerade?] Nein, das kann nicht sein, Ich habe
überhaupt keine Erfahrung im Stab-Kampf. Das scheint ein Feature des
Spiels zu sein. Vermutlich analysiert das System meine Absichten und
leitet sie dann in vorgegebene Bewegungsabläufe um. Ich setze
nochmal an und starte einige weitere Attacken auf meinen wehrlosen
Gegner. Es sind einfache, wenn auch sehr graziöse Angriffe.
Komplexere Manöver, wie Doppelschlag oder so etwas, scheinen nicht
möglich zu sein.
[Das
macht Spaß! …]
Ich
tobe mich noch ein wenig aus, bis sich die Bewegungen nicht mehr so
fremd anfühlen. Ein echter Kampf fühlt sich aber sicherlich anders
an. Schlussendlich bin ich beeindruckt von meiner eigenen Leistung,
auch wenn sie zu keinem Teil mein Verdienst ist. [Zeit Bericht zu
erstatten.]
Hrotgar:
„Das war beeindruckend! Du bist eindeutig in der Lage dich in einem
Notfall zu verteidigen. Mit der Zeit wirst du bessere Waffen finden
und stärkere Attacken erlernen.“
Nicolas:
„Klingt gut, was kommt jetzt?
Hrotgar:
„Jetzt wirst du lernen eine Kreatur zu unterwerfen! Aber zuvor
musst du eine Sache verstehen: die Menge deines Gefolges ist an deine
Herrschaftskraft gebunden.“
[Was?
…]
Hrotgar:
„Trainiere und verbessere diene Herrschaftskraft um mehr Kreaturen
in dein Gefolge aufzunehmen!“
{Neue
Fähigkeit erhalten: „Herrschaft“}
[Ach,
das ist ein Skill! … ] Was für eine kryptische Art es zu
beschreiben …
Hrotgar:
„Und nun kommt der große Moment.“
Er
richtet sich in voller Größe auf, wodurch er noch imposanter wirkt,
und wendet sich dem Gehege zu, in dem sich einige große Hunde
befinden.
Hrotgar:
„Erfasse dein Ziel, konzentriere dich auf deine Verbindung mit ihm
und wenn dein Geist stark genug ist, wird sich die Kreatur dir
unterwerfen. Hier, ich mache es dir vor … “
Er
streckt seine rechte Hand aus, als wollte er nach etwas greifen und
legt seine linke Hand um das rechte Handgelenk. In seiner Hand
beginnen sich bläuliche Lichtpartikel zu sammeln. Gleichzeitig fängt
einer der Hunde an in der gleichen Farbe zu glimmen. Nach einigen
Sekunden sprühen ein paar Funken und der Hund löst sich in einer
blauen Flamme auf.
{Neue
Fähigkeit erhalten: „Unterwerfen“}
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